BOTSCHAFT DER
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
Den Haag, den 8. April 1958
Exzellenz,
ich habe die Ehre, auf die Besprechungen zurückzukommen, die kürzlich zwischen Vertretern
unserer beiden Regierungen über den Abschluss eines
Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
dem Königreich der Niederlande über die Aufhebung
des Pass- und Sichtvermerkszwanges
stattgefunden haben. Ich entnehme diesen Besprechungen, dass es in der Absicht der
beiden Regierungen liegt, folgende Vereinbarungen zu treffen:
Deutsche, gleichgültig, in welchem Land sie ihren ständigen Aufenthalt haben, können
ohne Sichtvermerk mit einem gültigen Nationalpass, Seefahrtsbuch, Kinderausweis oder
Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland über alle Grenzen in das Königreich
der Niederlande in Europa und in die Niederländischen Antillen einreisen und von dort
ausreisen.
Niederländer, gleichgültig in welchem Land sie ihren ständigen Aufenthalt haben, können
ohne Sichtvermerk mit einem gültigen oder nicht länger als 5 Jahre abgelaufenen niederländischen
Nationalpass, einem gültigen Seefahrtsbuch (Monsterboekje) oder mit einer gültigen
Touristenkarte (Toeristenkaart) des Königreichs der Niederlande über alle Grenzen
in die Bundesrepublik Deutsland einreisen und von dort ausreisen.
Deutsche, die beabsichtigen, sich länger als drei Monate im Königreich der Niederlande
in Europa oder auf den Niederländischen Antillen aufzuhalten, bedürfen zur Einreise
eines gültigen Nationalpasses oder Kinderausweises.
Niederländer, die beabsichtigen, sich länger als drei Monate in der Bundesrepublik
Deutschland aufzuhalten oder dort eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, bedürfen zur
Regelung ihres Aufenthaltes eines gültigen Nationalpasses.
Der Grenzübertritt ist nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen während der Öffnungszeiten
gestattet.
Die gesetzlichen Bestimmungen und Verwaltungsvorschriften über den Aufenthalt von
Ausländern in jedem der beiden Staaten werden durch dieses Abkommen nicht berührt;
insbesondere ist bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland auf Verlangen
der deutschen Grenzbeamten die Zusicherung der ausländerpolizeilichen Aufenthaltserlaubnis
nachzuweisen, wenn beabsichtigt ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und bei der Einreise
in das Königreich der Niederlande auf Verlangen der niederländischen Grenzbeamten
nachzuweisen, dass genügende Existenzmittel zur Verfügung stehen oder dass diese durch
gesetzlich gestattete Arbeit erworben werden können.
Jede der beiden Regierungen behält sich das Recht vor, die Einreise und den Aufenthalt
in ihrem Gebiet denjenigen Angehörigen des anderen Staates zu verweigern, die sie
als unerwünscht ansieht.
Der Staat, dessen Behörden einen der in den Artikeln 1, 2 und 10 erwähnten Ausweise
ausgestellt haben, wird den Inhaber eines dieser Ausweise formlos an einer der zugelassenen
Grenzübergangsstellen übernehmen, selbst wenn seine Staatsangehörigkeit bestritten
werden sollte.
Jede der beiden Regierungen kann aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit
oder Gesundheit die Durchführung dieses Abkommens vorübergehend aussetzen. Die Aussetzung
ist der anderen Regierung unverzüglich auf diplomatischem Wege mitzuteilen. Das Gleiche
gilt, wenn diese Massnahme wieder aufgehoben wird.
Dieses Abkommen gilt auch für das Land Berlin mit der Massgabe, dass
-
a ) der für Deutsche ausgestellte behelfsmässige Personalausweis und die Kinderlichtbildbescheinigung
des Landes Berlin dem Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland gleichgestellt
sind;
-
b ) deutsche Kinder unter 15 Jahren, die in einem behelfsmässigen Personalausweis des
Landes Berlin eingetragen sind, für den Grenzübertritt keinen besonderen Ausweis benötigen,
wenn sie in Begleitung des Ausweisinhabers reisen,
sofern die Regierung der Bundesrepublik Deutschland der Königlich Niederländischen
Regierung nicht innerhalb von drei Monaten nach Austausch der Noten eine gegenteilige
Erklärung abgibt.
Durch dieses Abkommen werden die durch Notenwechsel getroffenen deutsch-niederländischen
Vereinbarungen über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges vom 17. März und vom 10.
Oktober 1953 gegenstandslos.
Dieses Abkommen kommt durch Notenwechsel zustande. Es tritt am Tage nach Eingang der
niederländischen Antwortnote im Kraft und gilt für die Dauer eines Jahres. Es wird
stillschweigend auf unbestimmte Zeit verlängert, falls nicht eine der beiden Regierungen
spätestens zwei Monate vor Ablauf dieses Jahres der anderen Regierung eine gegenteilige
Mitteilung zukommen lässt. Nach dieser stillschweigenden Verlängerung kann das Abkommen
jederzeit mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden.”
Ich beehre mich, Eurer Exzellenz mitzuteilen, dass die deutsche Bundesregierung sich
mit der vorstehenden Regelung einverstanden erklärt. Falls die Königlich Niederländische
Regierung auch ihrerseits mit dieser Regelung einverstanden ist, möchte ich vorschlagen,
diese Note und die Antwort Eurer Exzellenz als ein Abkommen zwischen unseren beiden
Regierungen zu betrachten.
Ich benutze auch diesen Anlass, Eurer Exzellenz die Versicherung meiner ausgezeichnetsten
Hochachtung zu erneuern.
(gez.) H. MÜHLENFELD
An
Seine Exzellenz
den Minister der Auswärtigen Angelegenheiten
Mr J. M.H.A. Luns
Den Haag